Unsere Reiseräder

Über Reiseräder sind vor allem im deutschsprachigen Teil des Internets mittlerweile – glücklicherweise – sehr viele Informationen darüber verfügbar, wie ein Reiserad ausgestattet sein kann. In diesem Artikel wollen wir kurz unseren Senf dazugeben, warum wir persönlich einige Entscheidungen hinsichtlich gewisser Bauteile getroffen haben. Dabei wollen wir keinen Anspruch erheben, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Die Realität ist, dass viele Leute mit sehr unterschiedlichen Rädern unterwegs sind und trotzdem meistens alle eine gute Zeit haben! Die konkreten Ausrüstungsentscheidungen haben wir auch teilweise nur deshalb getroffen, da die Reiseräder zum Zweck langer Fernreisen angeschafft wurden – bei Reiserädern für Tourenlängen von jeweils zwei bis drei Wochen hätten einige Dinge anders ausgesehen. Wir gehen hier nicht auf jedes Detail der Räder ein, sondern beschränken uns auf einige Aspekte, welche gefühlt bislang am meisten von anderen Radreisenden mit uns diskutiert wurden. Wir erhalten kein Sponsoring von Herstellern, weshalb wir frei über unsere Erfahrungen berichten können.

0) Das Grundprinzip

Unserer Wahrnehmung nach gibt es zwei Grundprinzipien bei der Zusammenstellung von Reiserädern: a) „Keep it simple and stupid“ und b) möglichst wartungsarm (wartungs“frei“ gibt es eh nicht…). Mit Rädern nach beiden Prinzipien kann man zu großen Reisen aufbrechen. Prinzip a) besagt, möglichst technisch einfache Komponenten zu verbauen, welche weltweit verfügbar sind und auch möglichst einfach gewartet und repariert werden können. Der Vorteil dieses Vorgehens ist naheliegend. Zudem lässt sich ein Rad nach diesem Prinzip vergleichsweise kostengünstiger konfigurieren. Matthias’ erstes Reiserad war streng nach diesen Kriterien ausgelegt. Die Erfahrung damit hat uns jedoch dazu bewogen, für unsere „kleine Runde“ auf Räder nach dem Prinzip der Wartungsarmut umzusteigen. Der wichtigste Grund dafür war, dass wir die Zeit mehr genießen wollen. „Radelst Du schon oder schraubst Du noch?“ Diese Frage fiel beim alten Reiserad häufiger an. Natürlich fallen auch bei den wartungsarmen Rädern wichtige regelmäßige Arbeiten an, aber nach nur etwa 7.000 km inkl. der Vorbereitungstouren auf den neuen Rädern können wir schon sagen, dass der Aufwand während des Reisens kein Vergleich zu Matthias’ erstem Reiserad ist! Gute Komponenten sparen Zeit und Nerven. Nicht unbedingt Geld, aber ab einem gewissen Alter sind Zeit und Nerven wertvoller ;) Darüber hinaus können wir schwer einschätzen, inwiefern sich der Vorteil der „weltweiten Ersatzteilverfügbarkeit“ wirklich in der Praxis auswirkt – Systeme wie die Kettenschaltung werden von Seiten der Hersteller zügig immer weiter diversifiziert. Im schlimmsten Fall sind die Komponenten zwar immer noch „stupid“, aber nicht mehr „simple“. Wir haben uns mit der Realität abgefunden, dass immer irgendetwas am Rad kaputt gehen kann, für was am momentanen Aufenthaltsort kein passendes Ersatzteil gefunden werden kann. Das ist halt so. Durch die Wahl wartungsarmer Komponenten haben wir daher versucht, dieses Risiko möglichst nicht ausufern zu lassen. Unsere Räder sind technisch beide fast identisch, um beim Bedarf an Werkzeug und Ersatzteilen maximale Überschneidung zu haben.

1) Der Rahmen

Wie viele andere haben auch wir uns für Stahlrahmen entschieden. Dem Material wird eine hohe Dauerhaftigkeit zugeschrieben. Das Gewicht eines Stahlrahmens muss zudem gar nicht größer sein als das eines Aluminiumrahmens, denn die geringere Zugfestigkeit von Alu führt zu einem höheren Materialbedarf für die gleiche Festigkeit. Zudem sind wir der Ansicht, dass der Rahmen sicherlich die letzte Stelle eines hochbelasteten Reiserades ist, an welcher am Gewicht gespart werden sollte. Wichtiger als das Material ist aber sicherlich, dass der Rahmen a) wirklich passt, b) für die Belastung einer Radreise mit Gepäck ausgelegt ist und c) gut verarbeitet ist. Bei der Firma Norwid in Neuendorf bei Elmshorn wurden wir fündig: hier wurden die Rahmen (Modell „Spitzbergen“) für unsere Körperproportionen maßgeschneidert hergestellt. Die weiteren Komponenten wurden gemeinsam mit uns ausgewählt und die Räder von Norwid fertig montiert. Bei der Reifengröße haben wir uns für 26“ entschieden, da die Laufräder im Vergleich zu den größeren 28“-Rädern ein Plus an Stabilität bekommen – das kann wichtig sein, denn die Laufräder werden beim Radreisen sehr stark belastet.

2) Der Antrieb

Bei der Schaltung haben wir uns für die bei vielen Reiseradlern bewährte Rohloff Speedhub-Nabe entschieden. Beim ersten Reiserad ist Matthias mit einer Kettenschaltung gefahren, aber irgendwann war die Toleranz für die ständige Verschlammung der Komponenten am Ende und auch die subversiven Bestrebungen des Umwerfers waren ein Beweggrund, nicht mehr auf dieses System zu setzen. Die Speedhub-Nabe ist eine Wohltat dagegen. Der Dreck bleibt draußen. Wenn nichts anderes schiefgeht, fallen an wichtiger Wartung das Einstellen von Ketten- und Zugspannung sowie alle 5.000 km der Ölwechsel (Durchführung simpel) an. Mag sein, dass sie schwerer ist als Kettenschaltungen, aber am (beladenen) Reiserad kann man an anderen Stellen Gewicht einsparen als an der Schaltung. Ein großer Vorteil ist außerdem, dass ein Ersatzritzel und ein Ersatzkettenblatt sowohl von der Masse als auch vom Packmaß her kaum ins Gewicht fallen und sich auch ohne Spezialwerkzeuge montieren lassen – ein gewaltiger Unterschied zur Kettenschaltung, wo ein volles Ritzelpaket + zwei oder drei Kettenblätter und Kettenpeitsche erheblich schwerer in der Radtasche liegen würden. Bei der Nabenschaltung bleibt dann noch die Frage „Kette oder Riemen“: hier haben wir uns ausnahmsweise wegen der erheblich besseren Ersatzteilverfügbarkeit für die Kette entschieden.

3) Die Bremsen

Nachdem wir an Alltagsrädern mal (hydraulische) Scheibenbremsen gewohnt waren, führte für uns kein Weg mehr zur Seilzug-Felgenbremse zurück. Das Plus an Dosierbarkeit der Bremskraft und die bessere Bremsleistung bei Nässe verbessern die Sicherheit. Ein großer Vorteil ist außerdem, dass der Verschleiß neben den Bremsbelägen an der Bremsscheibe und nicht an der Felge stattfindet – ein Umstand, welchen man insbesondere bei sandigen und schlammigen Strecken gar nicht überschätzen kann! Eine Ersatzbremsscheibe für große Reisen fällt außerdem kaum ins Gewicht, eine Ersatzfelge, nunja, haben wir noch nie gesehen, sehr wohl aber durchgebremste Felgen. Unsere Rahmen haben übrigens aber trotzdem noch zusätzliche Sockel zur Aufnahme von Felgenbremsen, falls wirklich alles schiefgeht… Wir sind bislang hydraulische Scheibenbremsen von Shimano (BL-T8000, am Alltagsrad) als auch nun Magura (MT4, an unseren Reiserädern) gefahren. Beides sind gute Bremsen! Das Wechseln der Bremsbeläge geht aufgrund der Magnethalterung bei den Magura-Bremsen etwas einfacher. Außerdem hatten wir gefühlt weniger Probleme mit dem Einstellen der Bremse nach dem Wechseln von Bremsbelägen oder Bremsscheiben im Vergleich zu den Shimano-Bremsen. Ein weiter großer Vorteil ist, dass es für uns beim Magura-System dank der sehr guten Präsentation viel leichter nachvollziehbar ist, welche Kombination von Bremsscheiben- und Belagmaterial für unsere Zwecke am besten geeignet ist. Ein großer Minuspunkt bei der Magura MT4 sind für uns allerdings die Aufnahmen der Bremshebel (viel Plastik…), bei denen eine der Klemmschellen (auch Plastik – die Klemmschelle!) beim Fixieren nach dem Einstellen der Bremshebel gleich gebrochen ist, obwohl wir uns peinlichst genau an die Reihenfolge der Schrauben und deren Drehmoment gehalten haben. Die Schellen haben wir durch Aluminiumversionen ersetzt, welche uns nun ein etwas besseres Sicherheitsgefühl geben.

4) Die Beladung

Um unsere sieben Sachen unterzubringen (wir gehören definitiv nicht zur „Ultralight-Fraktion“, da wir auf so manchen Komfort nicht verzichten wollen…), nutzen wir hinten Packtaschen und einen Seesack und vorne Packtaschen am Lowrider-Frontgepäckträger. Dinge, die schnell griffbereit sein sollen, sind in der Lenkertasche untergebracht. Bei der Verteilung des Gewichts orientieren wir uns an der Drittel-Regel: zwei Drittel auf die Hinterachse, ein Drittel auf die Vorderachse. Wichtig ist natürlich auch, dass linke und rechte Seite etwa gleich schwer beladen sind. So haben wir mit dem Fahrverhalten der Räder keine Probleme. Bei den Packtaschen nutzen wir Ortlieb-Modelle. Der Hauptgrund für diese Wahl besteht darin, dass die Aufhängungen der Taschen relativ einfach mit einem Torx-Schraubendreher (Innensechskant bei älteren Modellen) ausgetauscht werden können, wenn sie defekt sind! Das ist ein gewaltiger Pluspunkt im Vergleich zu Herstellern, welche die Aufhängungen nieten. Wir haben schon bei Taschen von Ortlieb, Vaude und MSX defekte Halterungen gesehen bzw. selbst erlitten. Das kann durch Materialermüdung oder Stürze halt passieren. Bei den Ortliebs konnte der Schaden durch Ersatzteile aber zügig selbst behoben werden, was Zeit, Geld und Stress spart und dazu noch nachhaltiger ist.

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