Eine erste “ernste” Panne: was eine Nabenschaltung und Wasservögel gemeinsam haben

Auch sehr unwahrscheinliche Ereignisse sind halt nicht völlig ausgeschlossen…

Dass eine herrenlos herumliegende Angelschnur, messerscharf und reißfest, eine Gefahr für Tiere (insbesondere Wasservögel) darstellen kann, hat man vielleicht schon einmal gehört. Dass sie auch eine Gefahr für Reiseräder sein kann, mussten wir nun selbst erfahren. Um eine verkehrsreiche Landstraße zu vermeiden, folgten wir dem Donauradweg auf einer kleinen Schotterpiste direkt am Donauufer nördlich von Negotin (Serbien). Dieser Abschnitt ist landschaftlich recht schön, ruhig und keine 2 Meter vom Wasser entfernt, weshalb auch zahlreiche Angler dort angetroffen werden können. Auf dieser Piste muss Sonja über ein kleines Stück (ca. 1 m) Angelschnur gefahren sein (aufgrund einer vorherigen Inspektion der Kette auf der gleichen Etappe können wir das relativ gut eingrenzen). Die Angelschnur wurde offensichtlich vom Reifen hochgewirbelt, wodurch sie in die winzige Lücke zwischen Ritzelträger und Gehäuse der Rohloff-Nabe gelangen konnte, wo sie sich dann aufwickelte und innerhalb kürzester Zeit (etwa 10 km) die ritzelseitige Kunststoffdichtung der Nabe vollkommen zerfetzte. “Final Destination” für Fahrradteile quasi… Bemerkt hatten wir von dem ganzen Vorgang aber erst einmal nichts, kein Geräusch, kein Ruckeln, keine Unregelmäßigkeiten. Erst am nächsten Tag, glücklicherweise ein Ruhetag (der dann sehr unruhig wurde), wollten wir die Kettenspannung der Räder nachstellen und die Ketten neu fetten, da sie uns am Vortag beide sehr trocken erschienen. Bei Sonjas Rad fiel uns dann sofort auf, dass die Kette doch überraschend gut geschmiert zu sein schien. Am Ritzel hingen ein paar cm Angelschur heraus, welche wir nicht vollkommen herausgezogen bekamen. Daher demontierten wir Hinterrad und Ritzel (der Sprengring schon sehr ölbenetzt) und zogen dann immer mehr vor Öl triefende Angelschur aus dem Bereich, wo normalerweise eine Dichtung sein sollte. Der Vergleich mit der “gesunden” Nabe des anderen Rades zeigte dann ziemlich schnell: wir haben ein ernstes Problem! Ein Anruf beim Rohloff-Kundendienst ergab, dass das Hauptproblem gar nicht mal der Ölverlust, sondern die nun vorhandene Undichtigkeit des Nabeninneren gegen Wasser und Schmutz sei, weshalb die Nabe in diesem Zustand nicht mehr gefahren werden sollte. Der Kundendienst bot uns am gleichen Tag an, ein Reparaturset bestehend aus neuer Dichtung und dem zur Montage notwendigen Spezialwerkzeug nach Serbien zu senden, was etwa 7 Tage dauern sollte. Dies nahmen wir natürlich gerne an.

Das Warten und die Reparatur

Glück im Unglück: wir waren nun an einem der so ziemlich besten Orte gestrandet, an welchem Radreisende stranden können, nämlich dem Radler-Basecamp von Boján in Negotin. Die Wartezeit hier war sehr angenehm, denn Boján ist ein spitzenmäßiger Gastgeber. Er zeigte uns die Weinbaukultur im südlich angrenzenden Hügelland. Außerdem kommen hier oft andere Radreisende an, weshalb wir uns mit vielen anderen austauschen konnten und es auch nie langweilig wurde. Nach drei Monaten auf der Straße haben wir es außerdem sehr genossen, wieder für einige Zeit in uns gehen zu können und zu entschleunigen.

Der Versand von Ersatzteil und Werkzeug zog sich leider ordentlich in die Länge. Erst hatten wir genau die Fronleichnamswoche in Deutschland erwischt, dann war der Kurierdienst in Belgrad, nunja, auch äußerst begabt im Entschleunigen. Der Versand von Deutschland zum Flughafen Belgrad dauerte keine 24 Stunden, die Einfuhr nach Serbien dann aber ganze 12 Tage (was aber nicht am Zollamt lag…). Als das Spezialwerkzeug dann endlich ankam, dauerte der Einbau der neuen Wellendichtung keine 15 Minuten (das Werkzeug ist wirklich ausgezeichnet durchdacht und die ausführliche Anleitung online im Handbuch der Speedhub verfügbar).

Nach der Reparatur haben wir dann noch einen Ölwechsel durchgeführt. Wieder Glück im Unglück: der nächste reguläre Ölwechsel der Speedhub wäre eh bald notwendig gewesen. In der Summe sind uns durch den Defekt Kosten von etwa 50 € entstanden, wobei der größte Anteil davon auf Einfuhrabgaben (37 €) entfiel. Das Werkzeug hatten wir nur geliehen und nach der Reparatur wieder zurückgesendet.

Wie wir das einordnen

Verfechter der Kettenschaltung werden jetzt, sofern sie sich bis hier nicht schon zu Tode gelacht haben, anmerken, dass dies mit einer vernünftigen Kettenschaltung nicht passiert wäre. Da haben sie sicherlich leider Recht. Wobei wir uns nicht ausmalen wollen, was eine Angelschnur mit Umwerfer oder Schaltwerk einer Kettenschaltung anrichten könnte. Wir würden aber lügen, wenn wir nicht zugeben würden, dass dieser Vorfall unser Vertrauen in die Dauerhaftigkeit der Nabenschaltung etwas beschädigt hat. Es war uns immer klar, dass ein Defekt an einer der beiden Speedhubs zu einer längeren Zwangspause führen könnte - wir sind nur etwas ernüchtert darüber, wie schnell dieser Fall dann tatsächlich eingetreten ist (nach ca. 9000 km mit diesen Rädern, davon ca. 4800 km auf der aktuellen Reise). Andererseits ist die Art und Weise, wie dieser Defekt entstanden ist, doch sehr ungewöhnlich und es würde uns nicht wundern, wenn wir die ersten und auch die letzten Radreisenden sind, denen eine Angelschnur eine wichtige Dichtung zerrissen hat. Sagen wir es mal so: noch stehen wir hinter unserer Entscheidung, die Räder mit den Speedhubs ausgerüstet zu haben. Der Service von Rohloff war sehr gut und hilfsbereit, beim Versand hatten wir dann halt leider Pech und einen sehr langsamen Kurierdienst in Serbien erwischt. Hoffen wir, dass ein derartiger Vorfall kein zweites Mal auf dieser Reise auftreten wird…

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10.000 km: eine erste Bestandsaufnahme zu Pannen und Verschleiß

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